Abstract: Die nicht-pornographische Novellensammlung Les Crimes de l’Amour (1800) des Marquis de Sade scheint bei den Kritikern seiner Zeit auf genauso starke Ablehnung zu stoßen wie das pornographische Werk. Liegt das zweifelsohne auch am Lebenswandel des Autors, so lässt sich doch, wie schon Aussagen des Literaturkritikers Alexandre-Louis de Villeterque (1759-1811) nahelegen, annehmen, dass allen Texten des Marquis die gleiche Rhetorik zugrundeliegt. Im Artikel wird zunächst die Rhetorik der bekanntesten Romane de Sades beleuchtet. In einem zweiten Schritt wird anhand der in rhetorischer Hinsicht harmlos erscheinenden historischen Romane des Marquis die These einer Entrhetorisierung der Aufklärung entkräftet : Während diese auf den ersten Blick in dem unter Napoleon Bonaparte wieder in Mode gekommenen Konzept der historia magistra vitae verwurzelt zu sein scheinen, erweist sich bei näherem Hinsehen, dass sich hinter dem moralisierenden Ton die geballte Kraft der sadeschen Eloquenz versteckt.